Ein Leben für Freiheit und Freundschaft

Herbert (Berry) Westenburger starb im Alter von 95 Jahren

Der Zeitzeuge Herbert Westenburger, Jahrgang 1920, ist am 8. August 2015 in Frankfurt gestorben. Fünf Jahre zuvor, mit 90 Jahren, hatte „Berry“, wie ihn seine Freunde nannten, sich noch zu einer Mitgliedschaft in unserer Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ entschieden. An den Treffen der RAG Rhein-Main in Frankfurt nahm er gelegentlich teil, auch wenn dies zuletzt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war.

2008 war sein Buch „Wir pfeifen auf den ganzen Schwindel“ erschienen. Es beschreibt seine Erlebnisse in der NS-Zeit als Sohn einer „Halbjüdin“, die später in Auschwitz ermordet wurde. Es geht vor allem um Freiheit und Versuche jugendlicher Selbstbestimmung in einer Diktatur. Berry engagierte sich im Jugendbund des „Nerother Wandervogels“, einer von den Nationalsozialisten verbotenen bündischen Organisation. Bevor er an die Front geschickt wurde, war er sieben Monate im berüchtigten Frankfurter Gestapogefängnis „Klapperfeld“ inhaftiert. Es war in erster Linie die Freundschaft zu seinen Wanderkameraden, die Westenburger die Kraft gab, die NS-Zeit zu überleben. Viele Freundschaften blieben bestehen, und so zählte er nach dem Krieg zu den Mitbegründern der „Hessischen Jungenschaft“.

Mit Berry Westenburger ist einer der letzten Frankfurter Zeitzeugen gestorben. Der Träger der Johanna-Kirchner-Medaille und des Bundesverdienstkreuzes hat bis zuletzt viele Vorträge, auch für unsere Vereinigung, gehalten. Ein besonderes Anliegen war es ihm, jungen Menschen den Mut zum Widerstand zu vermitteln. Wir sind sehr traurig, einen solch anständigen Menschen und guten Freund verloren zu haben. Seine Vorträge schloss er immer mit den letzten Zeilen aus seinem Buch, einem Zitat von Friedrich Gundolf, das nun für Berry eine endgültige Bedeutung hat:

„Schließ Aug und Ohr für eine Weil vor dem Getös der Zeit ...“ und lege meine Brille und mein Hörgerät zur Seite!

 

Autor: Andreas Dickerboom

Foto: Herbert Westenburger bei einem Zeitzeugengespräch 2011 in der Otto-Hahn-Schule, Hanau