"Wenn ich drei Wünsche hätte ..."

Syrisches Flüchtlingsmädchen besucht Regionale Arbeitsgruppe Rhein-Main

Judi Hussien zu Besuch bei der RAG Rhein-Main

Am 1. Februar besuchte Judi Hussien (17) den „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.| Rhein-Main“ - Stammtisch. Sie ist gekommen, um den Ehrenämtlern des Vereins einen hautnahen Einblick in die Geschichte eines Flüchtlings zu geben.

Seit fast 1,5 Jahren ist Judi Hussien in Deutschland und überrascht mit fließendem Deutsch. Die 17-Jährige mit den schwarzen, langen Haaren klappt ihren Laptop auf und erzählt von ihrer Heimat Syrien. In Damaskus geboren, lebte sie mit ihren Eltern und zwei Brüdern in einem Haus, genoss eine gute Schulausbildung und hatte Freundinnen. Dann beginnt sie eine Geschichte zu erzählen, die womöglich nicht viele der Anwesenden jemals so persönlich von Betroffenen gehört haben. Judi erzählt vom Krieg in Syrien, wie sie und ihre ganze Familie alles unter dem Assad-Regime und dem sogenannten IS verloren haben. Die Wörter Explosionen, Gasangriffe, Diktatur und Terrorismus füllen den Seminarraum. Sie erschüttern und keiner mag sich vorstellen, unter welchen Bedingungen Judi in ihrem jungen Alter bereits gelitten haben muss.

Die Familie beschließt im Jahr 2012 zu fliehen. Auch die Großeltern schließen sich an. Judi erzählt von der mühseligen Flucht über den Libanon, nach Ägypten und schließlich mit einem Boot nach Italien. Von dort aus ging es von Frankreich weiter nach Deutschland. Überall waren sie nur Gäste, nirgendwo hatten sie das Gefühl willkommen, aber auch angekommen zu sein.

Während Judi erzählt, beeindruckt sie die Vereinsmitglieder zutiefst. Eine starke, junge Frau, die von Verstoßung, Krieg und Tod spricht. Kurz wird ihre Stimme zittrig, als sie vom Verlust ihres Großvaters während der Flucht und dem Tod ihrer besten Freundin in Damaskus erzählt.

 In Frankfurt angekommen, unterstützen sie seither ihre Eltern, die die Chance einer stabilen Zukunft ihrer Kinder in Deutschland sehr wertschätzen. So lernen alle intensiv Deutsch und Judi wurde in die 10. Klasse der Heinrich-Heine-Schule in Dreieich eingestuft. Nach einem Auffanglager in Gießen, wurde die mittlerweile 6-köpfige Familie registriert und erhielt eine Wohnung in einem Asylheim in Dreieich.

 Die Reise ist noch nicht zu Ende, und Judi gibt sich größte Mühe, sich zu integrieren. Nach dem Abitur möchte sie studieren, um Ingenieurin zu werden. Jedoch musste die syrische Familie sogar in Deutschland Rückschläge erfahren, als an einem Nachmittag in Dreieich ihr 14-jähriger Bruder nach dem Einkaufen von Deutschen mit Migrationshintergrund verprügelt wurde. Die Verletzungen mussten im Krankenhaus behandelt werden, und Judis Bruder hatte nach dem Vorfall Angst, zurück in die Schule zu gehen.

Fragt man Judi was sie sich von ihrer Zukunft erhofft, antwortet sie: „Wenn ich drei Wünsche hätte, würde ich am liebsten schon jetzt perfektes Deutsch sprechen. Auch wünsche ich mir, dass es meinem Heimatland Syrien bald bessergeht und meine Familie vereint ist.“

 

(Karina Wilczok)